Safewards: Das Safewards-Modell

Teil 2: Interventionen Teil 1

Teil 3: Interventionen Teil 2

Teil 4: Erfahrungsbericht

Safewards beschreibt ein Modell, das auf psychiatrischen Akutstationen eingesetzt wird, um die Häufigkeit von Konflikten zu verstehen und zu reduzieren. Ein Konflikt beschreibt sämtliches Verhalten, das die eigene Sicherheit oder die Sicherheit von anderen gefährdet. Dazu gehören unter anderem Gewalt, Suizidversuche, Selbstverletzung und Entweichungsversuche. Es wird angenommen, dass sechs Bereiche einen Einfluss auf die Konfliktentstehung haben. Zu diesen Bereichen gehört die Patientinnen- und Patientengruppe, die Patientinnen- und Patienteneigenschaften, die regulatorischen Rahmenbedingungen, das Stationsteam, die räumliche Umgebung sowie krankenhausexterne Faktoren. Das Modell umfasst Patientenmodifikatoren und Mitarbeitermodifikatoren. Jeder Bereich kann zu spezifischen Krisenherden führen. Als Krisenherd gilt ein Umstand oder ein Ereignis, das zu einem Konflikt führen könnte. Ein Konflikt führt zu einem Eindämmungsversuch, welcher jedoch auch selbst einen Konflikt auslösen kann. Als Eindämmungsversuch werden Massnahmen der Mitarbeitenden bezeichnet, um Konflikte vorzubeugen oder deren negativen Folgen einzudämmen.

Patientinnen- und Patientengruppe
Konflikte innerhalb der Gruppe werden insbesondere durch Nachahmung und Dissonanz ausgelöst. Unangemessenes oder auffälliges Benehmen hat auf einige Patientinnen und Patienten eine ansteckende Wirkung und wird nachgeahmt. Dies löst bei anderen Patientinnen und Patienten wiederum Verängstigung und Verunsicherung aus, was zu Abwehrverhalten führt. Die ausgelösten Ängste verstärken oder vermehren das Auftreten von psychiatrischen Symptomen, wodurch ein verstärktes Konfliktverhalten auftreten kann. Die Patientenmodifikatoren umfassen ihren Umgang mit Emotionen, empathisches Verständnis für die auffälligen Verhaltensweisen, soziale Fertigkeiten, Moralvorstellungen und die Bereitschaft zur gegenseitigen Unterstützung sowie Toleranz gegenüber anderen Mitpatientinnen und Mitpatienten. Mitarbeitende können durch ein vorbildliches Verhalten im Umgang mit herausfordernden Situationen, Psychoedukation und Prävention von Nachahmungen Einfluss auf Krisen in diesem Bereich nehmen. Als Krisenherde gelten unter anderem Versammlungen, lange Wartezeiten, Schlangestehen, Aggressionen, Diebstähle oder Sachbeschädigung.

Patientinnen- und Patienteneigenschaften
Zu den Patientinnen- und Patienteneigenschaften gehören die Symptome ihrer jeweiligen Erkrankung, ihre individuellen Charaktereigenschaften sowie demographische Faktoren. Mitarbeitende können Einfluss nehmen, indem sie die notwendige Behandlung zur Verfügung stellen sowie einen verständnisvollen, feinfühligen Umgang zeigen. Als Krisenherde in diesem Bereich gelten Verschlechterung der psychiatrischen Symptomatik sowie Einschränkungen der Freiheit und Unabhängigkeit der Patientinnen und Patienten.

Regulatorische Rahmenbedingungen
Die regulatorischen Rahmenbedingungen umfassen alle externen Strukturen, die Verhaltenseinschränkungen der Patientinnen und Patienten vorgeben. Dazu gehören die Gesetzesvorgaben betreffend Unterbringung, Zwangsbehandlung und Zwangseinweisung, die staatliche Politik betreffend psychiatrischer Gesundheitsversorgung sowie deren Auswirkungen auf die Patientinnen und Patienten im Verlauf ihres Aufenthaltes und die geltenden Klinikregeln. Mitarbeitende können insgesamt wenig Einfluss auf diesen Bereich nehmen. Mitarbeitende können das Klima auf der Station unterstützen, indem sie die Rechte der Patientinnen und Patienten respektieren, sie bei Beschwerden unterstützen und sich für korrekte Verfahrensweisen einsetzen. Dies führt dazu, dass Patientinnen und Patienten die Rechtmässigkeit der externen Strukturen als solche wahrnehmen und Konfliktverhalten aufgrund von Frustration und Hoffnungslosigkeit vermindert auftritt. Als Krisenherd in diesem Bereich gelten Situationen, in welchen das psychiatrische System seine Regeln gegen das Einverständnis der Patientinnen und Patienten durchsetzt, was bei den Patientinnen und Patienten zu Rebellion sowie dem Zusammenbruch ihres Selbstwertgefühls und Depression führen kann.

Das Stationsteam
Der Bereich Stationsteam umfasst die geltenden Verhaltensregeln auf der Station, die tägliche und wöchentliche Routine sowie die allgemeine Ideologie. Einen Einfluss auf diesen Bereich nehmen Ängste und Frustrationen des Personals, moralische Verpflichtungen sowie psychologisches Verständnis, Teamwork und Beständigkeit, fachliche Fähigkeiten sowie positive Wertschätzung. Mögliche Krisenherde stellen die Ablehnung von Anträgen der Patientinnen und Patienten, Aufforderungen von Mitarbeitenden, das Setzen von Grenzen oder schlechte Nachrichten, welche das Stationsteam übermitteln muss, dar.

Räumliche Umgebung
Der Bereich räumliche Umgebung umfasst die Qualität sowie die Komplexität der Station. Offene, gut strukturierte und übersichtliche Räume ermöglichen eine klare Orientierung und Kontrolle. Mitarbeitende können auf diesen Bereich Einfluss nehmen, indem sie die Pflege der Einrichtung sicherstellen und die Räumlichkeiten aktiv nutzen. Die Präsenz des Personals hat eine beruhigende Wirkung und fördert die Kommunikation. Mögliche Krisenherde sind Orte und Momente, in denen eine Überwachung durch das Personal nicht sichergestellt werden kann, was zu Selbst- oder Fremdgefährdung führen kann.

Krankenhausexterne Faktoren
Der Bereich krankenhausexterne Faktoren umfasst familiäre Belastungen, soziale Isolation, finanzielle Sorgen sowie rechtliche Probleme der Patientinnen und Patienten. Die Mitarbeitenden können Einfluss nehmen, indem sie die Familie in die Behandlung mit einbeziehen oder externe Fachkräfte wie beispielsweise den Sozialdienst zur Unterstützung beiziehen. Zu den Krisenherden zählen schlechte Nachrichten, häusliche Krisen, der Verlust von Beziehungen oder der Wohnung sowie Streit mit Angehörigen oder Freunden.