Der zweite Beitrag zum Thema Schulabsentismus beschäftigt sich mit den unterschiedlichen Formen und den Therapiemöglichkeiten, die sich daraus ergeben.
Schulabsentismus kann unterschiedliche Formen annehmen, denen unterschiedliche Ursachen zugrunde liegen. Die Therapiemöglichkeiten richten sich nach der Form und Ursache des Schulabsentismus. Das Ziel ist, dass der Schüler und die Schülerin so bald wie möglich den regelmässigen Besuch des Schulunterrichts wieder aufnehmen und somit das Wohlbefinden sicherzustellen. Je länger Schüler dem Unterricht fernbleiben, desto mehr nimmt das Vermeidungsverhalten zu und desto schwieriger gestaltet sich der Wiedereinstieg. Aufgrund dessen sind die Therapiemöglichkeiten auf eine schnelle Wirkungsweise ausgerichtet. Um mit Schulabsentismus adäquat umzugehen, braucht es die Zusammenarbeit von Eltern und Schule sowie allenfalls weiteren Fachpersonen.
Formen von Schulabsentismus
Schulabsentismus kann unterschiedliche Formen annehmen. Grundsätzlich kann Schulabsentismus in zwei Kategorien eingeteilt werden: die primär ängstliche und die primär dissoziale Form. Die primär dissoziale Form ist auch als Schulverweigerung oder Schulschwänzen bekannt. Bei der Schulverweigerung handelt es sich um ein absichtliches Fernbleiben vom Unterricht. Als Ursache dafür gilt eine dissoziale Problemkonstellation. Betroffene zeigen Schulunlust und häufiges Störverhalten in der Schule. Zudem sind die elterlichen Kontrollmechanismen häufig unzureichend. Es liegen gehäuft dysfunktionale familiäre Beziehungsstrukturen wie beispielsweise eine Rollenumkehr vor. Bei der primär ängstlichen Form können eine Trennungsangst oder eine spezifische sowie soziale Phobien vorliegen. Trennungsangst, auch Schulphobie genannt, beschreibt das Fernbleiben vom Unterricht aufgrund einer Trennungsangst von den Erziehungsberechtigten oder engen Bezugspersonen. Die Schüler fürchten, den Erziehungsberechtigten bzw. Bezugspersonen könnte etwas zustossen. Der Trennungsangst liegen häufig dysfunktionale Bindungs- und Beziehungsstrukturen zugrunde. Weiter können familiäre Belastungen vorliegen, für die sich das Kind verantwortlich fühlt und auffangen möchte. Bei den spezifischen oder sozialen Phobien, auch Schulangst genannt, handelt es sich um ein Fernbleiben vom Schulunterricht aufgrund von Angst vor bestimmten Situationen. Dabei kann es sich um eine soziale Phobie, also die Angst in sozialen oder leistungsbezogenen Situationen bewertet zu werden, oder spezifische Phobien, zum Beispiel Angst vor der Schule insgesamt oder einzelnen Aspekten davon, handeln. Ursache einer Schulangst können schlechte Erfahrungen in der Schule wie zum Beispiel Ausgrenzung aber auch psychische Erkrankungen sein.
Therapiemöglichkeiten
Um die beste Behandlung sicherzustellen, gilt es als erstes, die Ursache ausfindig zu machen. Dies bedeutet, dass zunächst eine umfassende und multimodale Diagnostik einer jeden Behandlung vorausgeht. Dabei wird untersucht, ob die Eltern von den Absenzen wissen, schulbezogene Ängste vorhanden sind, eine Trennungsangst vorliegt, die Kinder eine erhöhte Selbstunsicherheit aufweisen und ernsthafte körperliche und psychische Erkrankungen vorliegen. Bei der Anamnese wird die aktuelle Krankheitsgeschichte, die Biographie sowie die Familienanamnese erhoben. Daraufhin wird eine psychopathologische Verhaltensbeobachtung durch eine/einen Fachärztin/-arzt für Kinder- und Jugendpsychiatrie oder eine/einen Psychologin/Psychologen vorgenommen. Weiter wird eine körperliche Untersuchung vorgenommen. Zuletzt werden testpsychologische Verfahren durchgeführt, um psychische Erkrankungen sowie den Entwicklungsstand und das Leistungsvermögen einzuschätzen. Zumeist werden erst ambulante Interventionen durchgeführt, die eine rasche Wiederaufnahme des Schulbesuchs fördern. Falls dies nicht gelingt, ist eine stationäre Behandlung indiziert. Bei der stationären Behandlung wird der Schulbesuch schrittweise angegangen. Sollte eine psychische Erkrankung vorliegen, wird diese entsprechend den Leitlinien behandelt. Dies umfasst zumeist eine Psychotherapie sowie in einigen Fällen eine medikamentöse Behandlung. Dies kommt insbesondere bei primär ängstlichen Formen des Schulabsentismus in Frage. Bei anderen Ursachen sollte eine psychotherapeutische Behandlung vor allem mit sozialpädagogischen Massnahmen erfolgen. In jedem Falle sollte jedoch eine Beratung von Eltern, Kind und Schule stattfinden. Es findet eine enge Zusammenarbeit zwischen der Familie, der Schule und dem schulpsychologischen Dienst statt. Bei familiären Ursachen kommen familienzentrierte Verfahren zum Einsatz. Dazu gehört zum Beispiel ein Elterntraining. Schulisch sollte der aktuelle Wissensstand des Kindes berücksichtigt werden und allenfalls Fördermassnahmen ergriffen werden.
Teil 1: Definition und Ursachen