Schulverweigerung: Ursachen und Entstehungsfaktoren

Teil 1: Symptome

Wenn ein Kind den Schulbesuch verweigert, handelt es sich dabei um ein vielschichtiges Problem, das zahlreiche Ursachen haben kann. Betroffen sind Kinder und Jugendliche aus allen sozialen Schichten. Die Schulverweigerung ist häufig ein Ausdruck tieferliegender individueller, familiärer oder schulischer Schwierigkeiten. Diese Faktoren wirken zudem wechselseitig aufeinander ein, weshalb sich häufig eine komplexe Dynamik aus dieser Kombination individueller Gegebenheiten ergibt.

Kindbezogene Faktoren
Zu den kindbezogenen Faktoren werden üblicherweise psychische, emotionale und kognitive Veranlagungen und Schwierigkeiten im Sinne eines Ressourcen- und Defizitprofils gezählt. 

Viele Kinder und Jugendliche, die den Schulbesuch verweigern, leiden bereits vor Beginn oder im Laufe der Entwicklung dieser Symptomatik unter Ängsten wie zum Beispiel Schulangst oder Trennungsangst. Angstauslösende Situationen im schulischen Umfeld können beispielsweise das Sprechen vor der Klasse, die Bewertung durch Lehrpersonen oder andere Kinder sowie die soziale Interaktion mit Mitschülern und Mitschülerinnen sein. Angstauslösende Situationen im persönlichen Umfeld können dagegen die Trennung von den Eltern sein, wobei die Kinder auch fürchten können, dass den Eltern etwas Schlimmes passieren könnte. Diese Ängste können so stark werden, dass körperliche Symptome wie Bauchschmerzen, Übelkeit oder Schlafstörungen auftreten, wobei Betroffene mit psychosomatischen Symptomen die zugrundeliegende emotionale Belastung häufig nicht ausreichend mitteilen können. 

Des Weiteren können depressive Störungen oder depressionsbezogene Symptome wie ein tiefes Selbstwertgefühl und geringes Selbstwirksamkeitserleben mit jeweils eigener Entstehungsgeschichte zu einer Schulverweigerung führen oder diese im Verlauf aufrechterhalten.

Bei Kindern und Jugendlichen, bei denen eine Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung oder Autismusspektrumstörung vorliegt, können fehlende oder unzureichende funktionale Strategien der Stress- und Emotionsbewältigung oder Konfliktlösung ebenfalls zu Schulverweigerung führen, wobei bei sozialem und/oder leistungsbezogenem Überforderungserleben Vermeidungsverhalten im Sinne einer dysfunktionalen Bewältigungsstrategie zur Verweigerung des Schulbesuchs führen kann und im Rahmen dieser Überforderungssituation auch depressive Symptomatik entstehen kann, die wiederum das Fernbleiben vom Schulunterricht begünstigt.

Familiäre Faktoren
Die familiäre Situation steht häufig in wechselseitigem Zusammenhang mit schulverweigerndem Verhalten und sollte daher erfragt und beachtet werden. Insbesondere instabile familiäre Verhältnisse aufgrund einer Trennung, Scheidung oder chronischer Konflikte innerhalb der Familie mit entsprechender Belastung des Kindes führen vermehrt zu schulverweigerndem Verhalten und können dieses verstärken oder aufrechterhalten. Besonders betroffen und zu beachten sind Kinder und Jugendliche, die im familiären Umfeld Vernachlässigung oder Überforderung erleben oder deren Eltern an einer psychischen Erkrankung leiden. Demgegenüber kann jedoch auch ein übermässig behütender Erziehungsstil schulverweigerndes Verhalten begünstigen. Hierbei kann es geschehen, dass Eltern in Zusammenhang mit Angst vor schulischen oder sozialen Misserfolgen oder Belastungen ihrem Kind unbewusst vermitteln, dass die Schule ein bedrohlicher Ort sei, was wiederum zu einem Vermeidungsverhalten auf Seiten des Kindes führen kann. Zuletzt können fehlende oder altersinadäquate Strukturen und Regeln im Elternhaus zu mangelnder Akzeptanz der im Schulalltag geltenden Anforderungen führen und so ebenso schulverweigerndes Verhalten begünstigen.

Schulische Faktoren
Zu den schulbezogenen Faktoren von Schulverweigerung gehören Mobbing und Ausgrenzungserlebnisse jeglicher Art. Kinder und Jugendliche, die vermehrt Opfer von körperlicher oder emotionaler Gewalt werden, verweigern aufgrund von Angst vor erneuter Gewalt die Schule. Weitere Ursachen können Leistungsdruck, Überforderung oder ein fehlendes Gefühl der Zugehörigkeit sein. Wenn Schüler und Schülerinnen in der Schule häufige Misserfolge erleben und dem Unterricht nicht angemessen folgen können, erleben sie Frust oder Resignation. Dies kann sich so zuspitzen, dass sie den Sinn hinter dem Schulbesuch nicht mehr sehen. Zuletzt ist die Beziehung zur Lehrperson ein wichtiger Faktor. Eine gute Beziehung stärkt die Kinder und Jugendlichen in der Schule, eine fehlende, beeinträchtigte oder konflikthafte Beziehung steht mit schulverweigerndem Verhalten im Zusammenhang.

Anderweitige Faktoren
Weitere Faktoren, die mit schulverweigerndem Verhalten in Zusammenhang stehen, sind gesellschaftliche Entwicklungen und Eindrücke der Jugendlichen, wie beispielsweise steigender Druck auf Bildungserfolg, die frühe Selektion im Schulsystem sowie wachsende soziale Ungleichheiten. Insbesondere Kinder und Jugendliche aus bildungsfernen oder ökonomisch benachteiligten Familien erleben häufiger Misserfolge in der Schule. Ein weiterer Faktor ist die Digitalisierung, die vermehrt zu Ablenkung, Rückzug in virtuelle Welten oder Entwicklung von Abhängigkeitsverhalten in Bezug auf Medien führen kann, was wiederum den Schulbesuch beeinträchtigt.

Teil 3: Behandlung
Teil 4: Geschichte einer Patientin