Tiergestützte Therapien: Geschichte einer jugendlichen Patientin

Die Clienia Littenheid bietet auf einer Psychotherapiestation für  Jugendliche pferdegestützte Therapie an. Wir haben eine junge Patientin begleitet. Hier erzählt sie von ihren Erfahrungen.

«Ich bin jetzt seit knapp zwei Monaten hier in Littenheid. Ich finde, die Klinik hat eine schöne Atmosphäre. Das Cafe ist wie ein kleiner Dorfplatz, man sieht immer wieder Patientengruppen, die mit einander draussen sind oder Sport treiben, es ist eine sehr schön gestaltete Umgebung.

Ich bin nicht zum ersten Mal in stationärer Behandlung. Ich habe eine Borderline-Erkrankung und Depressionen. Zeitweise bin ich auch suizidal. Es gibt halt bessere und schlechtere Phasen. Ich habe das Gefühl, dass es mir schon hilft, hier zu sein. Von den Therapien finde ich die pferdegestützte Therapie die beste. Ich erlebe sie hier zum ersten Mal und bin sehr dankbar, dass es dieses Angebot für uns Jugendliche gibt. Ich erzähle auch meinen Angehörigen viel und glücklich davon. Ich habe mich dazu angemeldet, weil ich Tiere etwas Tolles finde. Zuhause habe ich eine Katze. Ich war auch schon einmal in einer Klinik, wo es einen Therapiehund gab. Wenn es mir schlecht ging, konnte ich Zeit mit ihm verbringen oder mit ihm spazieren gehen.

Die Arbeit mit dem Pferd, es heisst Halito, ist natürlich eine Abwechslung vom Klinikalltag. Ich komme sonst nicht viel weg von hier, und das tut halt auch einmal gut. Viel mehr als das ist es aber eine Zeit, in der ich mich nicht so reflektiert mit mir selber beschäftigen muss, sondern ich beschäftige mich eben mit einem anderen Lebewesen. Halito hat eine beruhigende Wirkung auf mich. Ich finde toll, dass er so eine enge Bindung zu unserer Psychologin hat und ihr so gut gehorcht, aber trotzdem seinen eigenen Kopf behalten kann. Für mich ist es schwierig, Beziehungen gesund zu gestalten und nicht zuviel von jemand anderem abhängig zu machen. Darin ist Halito ein Vorbild für mich: dass er sich selber bleiben und sich trotzdem an jemanden binden kann.

Ein schwieriges Thema ist für mich mein Perfektionismus. Ich habe immer Angst, dass ich etwas falsch machen könnte. Natürlich auch während der tiergestützten Therapie, weil ich ja nicht so viel über Pferde weiss. Also dass ich zum Beispiel das Halfter falsch anziehen könnte oder falsch auf das Pferd zugehe. Aber während der Zeit mit Halito kann ich mir eben auch sagen, dass das OK ist und ich ja gar nicht alles richtig machen muss. Es ist ein Rahmen, in dem ich Fehler machen darf.

Ich darf alle ein bis zwei Wochen zu Halito, und die Vorfreude ist wirklich jedes Mal riesig. Ich bin danach ausgeglichener und fühle mich selbstwirksamer: Ich freue mich, dass etwas funktioniert hat, obwohl ich gar nicht alles perfekt gemacht habe. Von meinen Mitpatienten gehen nicht alle in diese Therapie. Unter uns, die hingehen, gibt es eine tolle Kameradschaft und keine Eifersucht, was mir ebenfalls guttut. Wir helfen einander und freuen uns mit einander über Fortschritte. Eine Mitpatientin, die viel mehr Erfahrung mit Pferden hat als ich, lobt mich immer, wenn etwas gut war. Das finde ich toll. Ich denke, einige melden sich halt nicht an, weil sie keinen Kontakt zu Tieren kennen und sich nichts darunter vorstellen können. Naja, für uns ist das gut, dann können wir mehr hingehen.

Ich weiss leider nicht, ob ich die pferdegestützte Therapie nach dem Klinikaufenthalt ambulant weiter besuchen kann. Ich weiss nicht, ob es in meiner Gegend so etwas gibt, und ich fürchte, die Krankenkasse würde das auch nicht übernehmen. Aber ich würde sehr gerne weitermachen können.»

Teil 1: Indikation

Teil 2: Behandlungsablauf

Teil 3: Ethik und Erfolgsaussichten