Zwangsstörung: Symptome und Diagnose

Vor der Haustür stehen und sich fragen, ob der Herd wohl ausgeschaltet ist – diese Situation ist vielen Menschen vertraut. Wann aber wird ein lästiger Gedanke zum Zwang?

Bei einer Zwangsstörung drängen sich der betroffenen Person wiederkehrende, unerwünschte Gedanken oder Handlungen auf. Diese werden als sinnlos oder unangenehm empfunden und die Betroffenen leisten oftmals innerlich Widerstand. Werden die Gedanken oder Handlungen unterdrückt, löst dies bei den betroffenen Personen starke innere Anspannung aus.

Häufigkeit und Erkrankungsalter
Zwangserkrankungen sind verbreitet, rund 2% der Bevölkerung erkrankt im Lauf des Lebens an einer Zwangsstörung. Rund 60% der Betroffenen erkranken vor dem 25. Lebensjahr. Ein Erkrankungsbeginn nach dem 50. Lebensjahr ist selten. 

Ritual oder Zwang?
Eine wiederkehrende Handlung muss kein Zwang sein. Vertraute Rituale strukturieren den Alltag, beruhigen und geben Sicherheit. Wird eine Handlung als quälend erlebt, raubt sie Zeit, prägt sie den Alltag, lässt einen zu spät kommen oder beeinträchtigt das Umfeld, so kann dies auf einen möglichen Zwang hindeuten. Rituale werden als stärkend empfunden, unter Zwängen hingegen leidet man.

Von Zwangsgedanken zu Zwangshandlungen
Unterschieden wird zwischen Zwangsgedanken und Zwangshandlungen. Zwangsgedanken sind aufdringliche Gedanken, die ungewollt im Innern entstehen, als fremd erlebt werden, und trotz innerem Widerstand immer wiederkehren. Sie haben häufig mit Aggression, Sexualität, Religion, dem eigenen Körper oder Symmetrie zu tun. Auch magisches Denken (“Jemandem stösst etwas zu, wenn etwas in Unordnung ist”) ist typisch. Häufig werden die Gedankeninhalte als sehr abstossend und quälend erlebt. «Habe ich unterwegs jemanden angefahren?» Obwohl der Gedanke als unsinnig empfunden wird, löst er Verunsicherung aus. Es entsteht das Bedürfnis, etwas dagegen zu tun und die möglichen Konsequenzen zu verhindern. Werden die Sorge und Anspannung zu stark, kommt es zur neutralisierenden Zwangshandlung, die Erleichterung verschafft. Man fährt zurück und kontrolliert den Weg. Man schaut nach, ob der Herd wirklich aus ist. Man wäscht sich die Hände, nach Berührung der verschmutzten Türklinke. So können Zwangshandlungen als «Antwort» auf Zwangsgedanken entstehen. Es etablieren sich Handlungen, die kurzfristig Erleichterung verschaffen und aus diesem Grund wiederholt werden. Wird die betroffene Person in dieser Handlung unterbrochen, entsteht daraus oft der Drang, von vorne zu beginnen. Mit der Zeit kann es sein, dass Zwangshandlungen automatisiert ablaufen, ohne dass die Betroffenen ihre Befürchtungen noch klar benennen können. Von aussen sind die Zwangshandlungen nicht immer beobachtbar. Manche Zwangshandlungen sind mental, indem beispielsweise innerlich bis zu einer bestimmten Zahl gezählt wird. Zwangshandlungen sind oft mit Zählen, Wiederholen, Sammeln, Kontrollieren, Reinigen oder Ordnen verbunden. Die Zwänge können sich auf bestimmte Bereiche oder Orte beschränken. Beim Ordnungszwang kann im Schrank alles nach System geordnet sein, ausserhalb des Schranks jedoch alles auf dem Boden herumliegen. Zwänge können sich im Lauf der Zeit jedoch verstärken und ausbreiten. Dann wird nicht nur der Schrank, sondern auch das Zimmer und später die gesamte Wohnung nach stereotypem Muster aufgeräumt. Oder es genügt nicht mehr nur nachzuschauen, ob der Herd aus ist, stattdessen müssen die Schalter auch angefasst werden, um sie zu kontrollieren. Ausserdem haben viele Betroffene mehrere Zwangsthemen, so dass beispielsweise ein Kontrollzwang und ein Waschzwang gleichzeitig auftreten.

Differentialdiagnosen 
Um eine Zwangsstörung zu diagnostizieren und zu behandeln, ist es wichtig, sie von anderen Erkrankungen zu unterscheiden. Auch eine Depression kann mit Grübeln und quälenden Gedanken verbunden sein. Personen mit einer Psychose erleben häufig Gedanken, die von aussen eingegeben werden, und leiden unter diesen. Personen mit einer zwanghaften Persönlichkeitsstörung beschäftigen sich ebenfalls mit Ordnung und Kontrolle, empfinden die Handlungen jedoch häufiger als zu sich selbst passend und nicht übertrieben oder unsinnig, wie im Fall der Zwangserkrankung. Auch betrifft dieses Verhalten dann alle Aspekte des Lebens und ist nicht nur auf bestimmte Situationen beschränkt. Um die Diagnose einer Zwangserkrankung zu stellen, müssen die Symptome über mindestens 2 Wochen bestehen und dabei einen Leidensdruck verursachen oder die Person in ihrer Funktionsfähigkeit beeinträchtigen. Da Zwangsstörungen zu Chronifizierung und Verstärkung neigen, ist es wichtig, die Erkrankung frühzeitig zu erkennen und zu behandeln.

Teil 2: Ursachen
Teil 3: Behandlung